PR-Geschichte Nr. 8:

Wie gut war die PR-Idee der Zeche Zollern, auf freiwillige Selbstkontrolle (FSK) zu setzen?

 

Von August bis Anfang September 2023 war auf ein­mal die Hölle los. Die Dortmunder Zeche Zollern ging viral. Dort, wo frü­her unter gesund­heit­lich schwie­ri­gen (heu­te sagt man her­aus­for­dern­den) Bedingungen das Schwarze Gold – von Gastarbeitern und nicht von Gastarbeiterinnen ­– abge­baut wur­de, um den Wohlstand der Region und vor allem der Industriebarone zu meh­ren, gab es Aufruhr wegen einer Kolonialismus-Ausstellung. Nicht hin­ter­fragt wur­de hin­ge­gen, ob solch ein Industriedenkmal des Kapitalismus viel­leicht gar nicht den Rahmen für ein so heik­les Thema wie den Kolonialismus bietet.

Für die­je­ni­gen, die den Aufreger schon ver­ges­sen haben: Die Ausstellungswerkstatt der Zeche Zollern hat­te sich etwas Besonderes aus­ge­dacht anläss­lich des Projektes „Das ist kolo­ni­al“: Samstags soll­te die Ausstellung zwi­schen 10 bis 14 Uhr ein „Safer Space“, ein siche­rer Raum, für Black, Indigenous and People of Color“ (BIPoC) sein. Mein erster Impuls: Was für eine genia­le PR-Idee. Und in der Tat, die Ausstellung schaff­te es bis in die über­re­gio­na­len Medien. In den sozia­len Medien war von „Rassismus gegen Weiße“ die Rede, am Museumstor wur­den rech­te Parolen ange­bracht – der Staatsschutz rück­te aus.

Die Ausstellung, die am 15. Oktober nach sie­ben Monaten nun zu Ende ging, ist zumin­dest pres­se­tech­nisch also durch die Decke gegan­gen. Ob man sich die „rich­ti­gen“ Leute damit in die Ausstellung geholt hat, steht auf einem ande­ren Blatt.

Nachgefragt

Zeit für ein Resümee dach­te ich und frag­te fünf Tage vor Ausstellungsende nach, ob man sich dort ins­ge­heim die Hände rei­be wegen des Pressefurors und ob Besucherrekorde erzielt wor­den sei­en. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) konn­te indes­sen kei­ne Zahlen nen­nen. Man befin­de sich „noch mit­ten in der Evaluation“. Auf mei­ne Frage, ob sich die Aufregung (auch medi­en­tech­nisch) aus sei­ner Sicht  gelohnt oder die­se Aktion dann doch gefühlt eher aus dem Ruder gelau­fen und der Zeche Zollern eher gescha­det als genutzt habe, lau­te­te die Antwort: „Der Safer Space soll­te u. a. dazu die­nen, die Perspektiven von BIPoC in die Ausstellungswerkstatt zu inte­grie­ren. Der Aufruhr, der ab Ende August auf­flamm­te, war nicht geplant. Wir wün­schen uns eine sach­li­che und kon­struk­ti­ve Auseinandersetzung zu den Methoden und Inhalten der Ausstellungswerkstatt.“

Bezüglich des Safer Space, also des Timeslots zwi­schen 10 und 14.00 Uhr, teil­ten die Veranstalter mit, dass der Raum von der gewünsch­ten Zielgruppe genutzt wur­de. Das muss auf Sicht erfolgt sein, weil der LWL ande­rer­seits schrieb, dass er kei­ne Besucherzahlen erfas­se (wie will man dann ver­nünf­tig eva­lu­ie­ren?). Der Safer Space sei weit­ge­hend respek­tiert wor­den und wei­ter hieß es: „Insgesamt gab es unter­schied­li­che Reaktionen, von Unverständnis, über Rückfragen bis hin zu Zustimmung.“ Unverbindlicher PR-Sprech der ganz alten Schule also. Gäbe es einen Preis für das Annullieren von PR-Ideen, die Zeche Zollern soll­te sich bewerben.

Andererseits: Die Idee, dass die Gesellschaft sich einer frei­wil­li­gen Selbstkontrolle unter­zieht, damit Betroffene auch ein­mal unter sich blei­ben kön­nen, hat womög­lich Zukunft. Wenn man nur ein­mal die Museumslandschaft in den Blick nimmt, so könn­te man z. B. in Biermuseen einen Slot für Alkoholiker anbie­ten oder im Sexmuseum in Amsterdam einen Slot für Sexaholiker. Ich bin gespannt, wie sich das auf die Besucherzahlen und die Eigen-PR der Museen aus­wirkt. Aber wir wer­den auch Opfer brin­gen müs­sen, um kul­tur­kor­rekt zu sein. Das Indianermuseum im Harz hat schon 2017 sei­ne Pforten geschlos­sen und für das Karl May Museum in Radebeul lege ich mei­ne Hände eben­so wenig ins Feuer wie für die Karl May-Festspiele in Bad Segeberg.

Susan Tuchel